Auf-/zuklappen

ER und ich

Angelika Gentgen - 11.09.1994

ER schwärmt für zierliche, langhaarige Blondinen, doch mit mir hat er eher das Gegenteil bekommen.
Er behauptet, es würde ihm jedes Mal einen Schock versetzen, wenn er morgens beim Erwachen den Hinterkopf meines Männerhaarschnitts erblickt.

ER gibt zu, dass er eitel ist; besonders wenn es um seine Haare geht. Er trägt sie wie David Copperfield, läßt sein Nackenhaar jedoch noch länger werden, damit seine Locken besser zur Geltung kommen, sagt er, und wohl auch aus Protest, weil meine Haare, kaum sind sie einmal um einen Zentimeter gewachsen, sofort auf die praktische Jeden-Tag-Wasch-Länge gestutzt werden.

ER ist immer tiefbraun. Selbst nach dem längsten Winter zeichnen sich die Konturen seiner Badehose noch so gut ab, als ob er gerade frisch aus dem Karibikurlaub käme.
Ich glaube, er wurde mit diesen Konturen bereits geboren.

Ich dagegen brate stundenlang in der Sonne, creme mich ständig ein und erreiche nicht annähernd den Bräunungsgrad, den er erreicht, wenn er einmal eine Stunde lang seinen Körper der Sonne aussetzt, uneingecremt natürlich, denn er benutzt NIE Sonnenmilch, wie er betont, bekommt natürlich auch NIE Sonnenbrand, im Gegensatz zu mir.

ER behauptet ich wäre undiszipliniert, weil ich beim Einkauf immer sofort etwas Süßes essen muss und überhaupt sei ich beim Einkauf ein ganz schöner "Hans-guck-in-die-Luft", dabei staune ich nur über all die schönen Dinge, die dort im Supermarkt angeboten werden.

ER meint, ich wäre viel zu freundlich zu allen Leuten und fragt mich, wen ich denn da schon wieder gegrüßt habe.

Einmal, das liegt schon Jahre zurück, habe ich ihn überredet, mit mir einen Barbra-Streisand-Film zu besuchen.
Er haßt Barbra Streisand und ihren Gesang noch viel mehr.
Zu allem Überfluß hatte der Film auch noch Überlänge.
Anfangs flüsterte er nur kopfschüttelnd ab und zu: "Jetzt singt sie schon wieder." Nach zirka einer Stunde versuchte er ständig auf seiner Armbanduhr abzulesen, wie lange er dieses Martyrium noch aushalten müsse.
Als er endlich eingeschlafen war, verhinderte nur die Lehne zwischen den Sitzen, dass er mit seinem Kopf auf dem Schoß seiner Nachbarin zur anderen Seite landete; es war wohl eine zierliche, langhaarige Blondine; ich erinnere mich nicht mehr.

Nachsatz:
Ich singe leidenschaflich gerne, besonders im Auto.
Doch ich hab das Gefühl, dass das meinem Mann nicht besonders gefällt; jedenfalls habe ich ihn schon öfters dabei ertappt, dass er, sobald ich den ersten Ton anstimme, das Radio ein- und mich damit abschaltet....





Über das Gedicht

Veröffentlicht: 03.05.2004
Kategorie: Kurzgeschichten

Link zum Gedicht

Das Reimlexikon der Lyrikecke

Träumst Du davon selbst eigene Gedichte, Song-Texte oder Raps zu verfassen, aber Dir fallen keine passenden Reime ein?

Das Reimlexikon der Lyrikecke hilft Dir beim Reimen - schnell und kostenlos.


Theorie des Schreibens


Lyrikecke bei Facebook
Lyrikecke bei Facebook