Ich bin ja kein Unmensch

Ich habe mir ein neues Hobby zugelegt.
Ich fange durch die Luft schwirrende SMS-Nachrichten auf, ungelesene versteht sich. Eine voyeuristische Ader hatte ich ja schon immer.

Am Besten lassen sie sich einfangen auf gänzlich unbewaldeten einsamen Lichtungen.

Aber es bedarf schon einer gewissen Übung. Sie tanzen um einen herum und machen sich ein Spiel daraus, immer wieder im letzten Augenblick zu entweichen.
Dabei kichern sie mit hoher Fistelstimme höhnisch.

Seitdem ich einen Schmetterlingskäscher benutze liegt meine Erfolgsquote bei 80%.

Ich sperre sie in mein eigens hierfür umgebautes Auto ein, in den Kofferraum. Dort befindet sich eine Art großer Vogelkäfig, den ich insoweit veränderte, dass ich als Öffnung eine Art Katzenklappe, durch die so gerade meine Hand passt, einbaute.

Anfangs ist mir beim Hineingeben meiner Gefangenen schon einmal die eine oder andere SMS entwichen. Aber mit der Zeit habe ich meine Taktik vervollkommnet.

Wie sie da so aufgeregt flattern in meinem Käfig!
Lüstern betrachte ich sie. Was werden sie mir alles preisgeben? Welche Liebesschwüre? Welche geheimen sexuellen Neigungen anderer?
Ich ergötze mich an der Vorstellung, dass der Empfänger womöglich voller Sehnsucht wartet auf eine Nachricht seiner Liebsten. Und ich halte sie in Händen!
Ich habe die Macht!

Termine können nicht eingehalten werden, Ehen und Freundschaften zerbrechen!
Streit wird ausgelöst.

Manche lese ich direkt an Ort und Stelle; die neonfarben leuchtenden. Sie enthalten die absolut erotischsten Gedanken.

Den Rest spare ich mir für zu Hause auf.
Genüsslich bei einem Glas Cognac lese ich voller Begierde.

Am Ende lasse ich sie dann doch wieder alle frei, damit sie ihren Bestimmungsort erreichen können, wenn auch mit einiger Verspätung.
Ich bin ja kein Unmensch!