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Karpfen und Liebe

Inge Wrobel - 2005

KARPFEN UND LIEBE
Ein (gut-)bürgerliches Trauerspiel

PERSONEN
MANFRED, ein erfolgreicher Geschäftsmann und leidenschaftlicher Angler
SENTA, seine Frau, leidenschaftliche Köchin


ERSTE SZENE
Zimmer im Landeskrankenhaus

MANFRED steht eben vom Sessel auf.
MANFRED, schnell auf und ab gehend:
Wissen sie, Frauen können einfach nicht mit Geld umgehen. Das muß jetzt einfach mal gesagt werden. Nicht, daß das jetzt in die falsche Kehle gerät. Aber beim Handeln und Geldmachen sind Männer einfach geschickter. Nehmen sie einmal mich. Ich handle gerne. Ein paar Nebengeschäfte hier, ein kleiner Deal dort. Man hält sich über Wasser. Die Frau möchte hin und wieder ausgeführt werden, das teure Auto, die Villa…. na, sie wissen schon. Meist merken die Damen des Hauses gar nicht, was man so alles Gutes für sie tut. Als wir letztes Jahr auf der Autobahn an dem Mercedes mit 230 vorbeigeheizt sind - denken sie, meine Frau wußte das zu würdigen? Na gut, sie ist Blondine, was ich ihr nicht persönlich übel nehme. Alles was sie getan hat, war zu fragen, ob ich jetzt völlig irre sei. Es hat mich gekränkt, denn der neue Tuningchip für den Diesel hat echt Kohle gekostet. Damit explodiert der Wagen fast. Aber glauben sie, das interessiert Senta?
Daher erzählte ich ihr auch nicht mehr so viel über meine Geschäfte, die uns einfach ein besseres Leben verschafft haben; selbst, wenn sie es nicht zu würdigen weiß. Nehmen sie doch nur einmal die Altersvorsorge. Denken sie, das kriegt man noch gebacken, ohne ein paar zusätzliche Anstrengungen? Die läppischen 300 000 Eus auf unserem Konto, die wir vor der Katastrophe besaßen, sollen reichen, um 30 Jahre Alter angemessen zu überstehn? Wenn ich nicht wäre, würden wir beide nach 65 auf dem Zahnfleisch kriechen. Um solche zentralen Sachen kümmere ich mich, und da kam mir der Gelegenheitsauftrag gerade recht.
Mein Chef, wissen sie, der ist ein reicher Snob. Alle möglichen extravaganten Hobbies und so. Mich interessiert´s ja nicht im Detail. Hab nur eine kleine Fischzucht im Keller und trink hin und wieder mal ein Bier mit den Vereinsfreunden, geh manchmal angeln. Also mein Chef hatte mich damals angesprochen wegen etwas Besonderem, Einmaligen. Und da hab ich mich in die Spur gemacht und organisiert. Das kann ich gut. Die Provision, die mir winkte, war nicht von schlechten Eltern. Heute würd ich ja sagen, es war der Anfang vom Ende und schuld ist meine Frau. Typisch „plond“!
Aber ich will ja nicht nur auf meiner Frau rumtrampeln. Sie ist auch eine gute Seele und kochen kann sie ganz prima. Sie hatte damals Karpfen blau gemacht, eine Spezialität, die sie ausgezeichnet beherrscht. Der Tag war mehr als angenehm. Früh angeln, danach hab ich den Deal erfolgreich abgeschlossen, anschließend noch ein paar Erledigungen im Autozubehörladen. Mir schwebten da so ein paar phonetische Optimierungen der Auspuffanlage vor… ein Auto, das nicht richtig brüllt, ist keins für mich.
Als ich nach Hause kam, hatte sie den Tisch bereits gedeckt. Es roch verführerisch nach Karpfen blau mit Meerrettich. Den Kopf esse ich besonders gerne. Den heb ich mir immer bis zum Schluß auf. Sie müssen wissen, das Backenfleisch ist das Beste am Karpfen. Als ich die Küche betrat, wurde mir jedoch plötzlich so flau, als ob mein Unterbewußtsein die Gefahr viel eher signalisierte, als mein klarer Verstand, von dem ich mich angesichts der Situation dann relativ schnell verabschiedete. Jedenfalls kam ich in die Küche, ging zum Tisch… und es traf mich wie ein Hammer. Ein Würgen und Stechen in der Halsgegend ließen mich zu Boden gehen. Ich versuchte mit letzter Kraft, meiner Frau begreiflich zu machen, was in mir vorging. Sie sah mich aber nur irritiert an. Hat das Wort wohl nicht verstanden.


ZWEITE SZENE

Ein Wohnzimmer in einem gemütlichen Eigenheim

SENTA erhebt sich vom Sofa und sieht aus dem Fenster.
SENTA, langsam auf und ab gehend:
Also ich verstehe die Welt nicht mehr! Warum hat sich Manfred nur so aufgeregt? Ganz rot ist er im Gesicht angelaufen und hat nach Luft geschnappt. Ich musste grinsen, als er den Mund so weit öffnete und die Augen hervorquollen. So hatte ich Manfred vorher noch nie gesehen. Grinsen musste ich, weil er mich irgendwie an diesen vermaledeiten Fisch erinnerte, der an allem schuld ist.
Dieser blöde Fisch hat sein Maul auch so weit aufgerissen, als ich das Messer fachgerecht hinter den Kiemen ansetzte. Na und die Glupschaugen...
Ich habe schon viele Karpfen in meinem Leben gesehen und schon manchen zubereitet. Ja, mein Sylvester-Karpfen hat in der Familie einen guten Ruf. Ich weiss genau, in welchem Verhältnis Essig und Wasser gemischt werden müssen, damit er richtig blau wird.
Bei diesem Exemplar aber hatte ich gleich ein komisches Gefühl. Eigentlich war er noch gar nicht gross genug, um geschlachtet zu werden. Aber ich dachte, dass Manfred eben nicht genug von Petris Heil erwischt hatte. Statt ganz ohne Beute zu kommen, hatte er diese Missgeburt gebracht, weil er unbedingt heute Fisch essen wollte.
Ich sagte schon, dass es ein komischer Fisch war? Also diese Farben! Muss ’ne Missgeburt gewesen sein. Oder eine Mutation durch verseuchtes Wasser, wer weiss...
Jedenfalls war mir klar, dass ich den schnellstens zubereiten musste, bevor er auch noch anfing, zu stinken. Schnell machte ich mich ans Werk. Es ging ruckizucki und ich dachte, dass Manfred sich freut, wenn das Essen bei seiner Rückkehr schon auf dem Tisch steht. Er war nur kurz zur Bank gegangen, und hatte etwas von „neunundfünfzig“ oder so gemurmelt – keine Ahnung, was er meinte.
Als er nach Hause kam, den Karpfen-Blau auf dem Esstisch sah, der diesmal gar nicht richtig blau geworden war, obwohl ich mehr Essig als sonst genommen hatte, bekam mein Mann diesen schrecklichen Erstickungsanfall. Das Einzige, was er immer wieder sagen konnte, war „keu...keu...“ und ich nahm an, ich solle ihm sein Asthma-Spray suchen, da er nicht mehr keuchen könne. Also lief ich ins Bad und suchte. Als ich mit dem Spray zurückkam, lag Manfred am Boden und keuchte nichtmal mehr.
Der Notarzt-Wagen kam relativ schnell. Sie haben ihn dort gut versorgt, wollten mich aber nicht zu ihm lassen. Der Oberarzt erklärte mir, dass Manfred von der Absicht besessen sei, mich umbringen zu wollen. Ein Neurologe und sogar der Klinikpsychiater seien schon eingeschaltet worden.
Inzwischen ist Manfred schon sechs Wochen im Landeskrankenhaus. Niemand darf zu ihm, auch ich nicht.


DRITTE SZENE

Zimmer im LKH

MANFRED auf und ab laufend:
Im Städtischen Krankenhaus haben sie mich nicht lange behalten. Meine Erinnerungen sind allerdings etwas eingetrübt. Kurze Zeit später wurde ich auf die geschlossene Klapse verlegt, in der ich mich bis heute befinde. Mein Therapeut meinte, ich hätte eine manisch-degenerative Hypnopsychose, so ´ne Art Mordwahn oder Schizo… schizo… Das Wort fällt mir jetzt grad nicht ein. Muß irgendwas mit Japan zu tun haben. Wobei ich auf alles japanische gegenwärtig sehr allergisch reagiere. Jetzt, nach einem halben Jahr, kann ich mit therapeutischer Hilfe endlich über das Geschehen sprechen. Denk mal, daß ich ihnen vertrauen kann und sie nicht gleich alles rumerzählen, obwohl mir nicht mehr viel passieren kann. Meinen Job bin ich eh schon los. Die haben irgendwie das Vertrauen in mich verloren.
Mein Chef war doch häufig in Japan und hat viel mit denen zu tun. Ich erzählte ihm von einem Spezialfisch mit einem perfekten roten Punkt auf der Stirn. Ein Vereinsmitglied züchtet diese Tiere. Da war mein Boss sofort ganz interessiert. Nachdem er sein OK für den Kauf gegeben hatte, regelte ich die Formalitäten. Solche Tiere bringen richtig satt Kohle. Das Geld hab ich erstmal vorgeschossen, weil ich ihm vertraute. Die Fotos des Tieres hatten ihn total überzeugt. 10 Prozent Provison, wenn das mal kein Beitrag zur Familienkasse ist. Jetzt werden sie langsam verstehen, wieso ich hier bin. Es ist sicher für die wenigsten gesundheitsfördernd, ein Fischgericht im Werte von mehreren zehntausend Euro vorgesetzt zu bekommen, das von der eigenen Altersversorgung bezahlt wurde.


VIERTE SZENE

Im Eigenheim von Manfred und Senta.

SENTA, an einem Cognac nippend, mit dem Glas in der Hand:
Ich habe es mir allein gemütlich gemacht. Fisch esse ich seitdem nicht mehr.
Heute war in der Beilage zur Fernsehprogramm-Zeitung ein Bericht über Koi-Karpfen. Jetzt ist mir manches klar geworden. Zum Beispiel, warum von unserem Konto an die 60.000.- € fehlen.
Aber das ist nicht so schlimm – es ist noch genug da für mich.


FÜNFTE SZENE

Ein Zimmer im LKH

MANFRED, aus dem Fenster blickend:
Meiner Frau hab ich´s später, nachdem ich psychisch ausreichend stabilisiert wurde, versucht zu erklären, aber die hat wie immer nur verständnislos geguckt. Sie strich mir lediglich beruhigend übers Haar und flüsterte, daß schon alles gut werden würde.
Na ja, typisch Blondine, und von Geschäften haben die einfach keine Ahnung. Aber gut kochen kann sie, besonders ihr Karpfen blau war Spitze, zumindest was den Preis betraf.

ENDE

DIE PROTAGONISTEN:
MANFRED: Elias
SENTA: Inge Wrobel





Über das Gedicht

Veröffentlicht: 04.08.2005
Kategorie: Kurzgeschichten

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