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Leben im Meer

Gabyi - 2003

Seepferdchen und Seesterne sah sie noch nie in ihrem Meer und auch keine romantischen Muscheln mit ihren großen wunderschön rosa schimmernden Helixgehäusen. Auch Würfelquallen verirrten sich niemals hierher.

Stattdessen gab es jede Menge Krebse und unscheinbare kleinere schwarze und weiße Muscheln wie Miesmuscheln, auch Pfahlmuscheln genannt, die blauschwarz oder bräunlich perlmuttfarben glänzten. Und weißlich-gelb gerippte Herzmuscheln, dreieckige rosa bläuliche Plattmuscheln sowie weiße Sandklaffmuscheln. Außerdem Seepocken, versteinerte Seeigel, Seetang, Feuersteine und Donnerkeile, die fossilen Schalen urzeitlicher Tintenfische. Sie sollten vom Donnergott auf die Erde geschleudert worden sein und vor Hexenschuss schützen. Und natürlich konnte man auch gelb funkelnde Bernsteine finden, wenn man ganz genau hinschaute.

Das alles fand man in einer aufgewühlt tosend blauen See, warm und mit hohen Wellen bei Ostwind. Und in einem flachen, grauen, kalten Meer bei Westwind, so schneidend kalt, dass die Füße blau anliefen. Es war das einzigartige Meer, in dem ihre Großmutter als Kind das Totenkopf - Schwimmabzeichen abgelegt hatte. Und in dem ihre Mutter bei 16 Grad Celsius durch die Wellen zur roten Ringelnatter schwamm, einer Boje, die weit draußen in der Bucht lag, während ihre Kinder am Strand stundenlang auf ihre Rückkehr warteten.

Genau so kannte sie ihr Meer und sie liebte es dafür. Es bot ihr Schutz und Sicherheit. Nur in seiner Nähe konnte sie tief durchatmen. An der frischen Seeluft, am weißen Strand und nachts auf der kleinen, durchgelegenen Matratze in ihrem Kinderbett, gefüllt mit angespültem, getrockneten Seegras, das früher noch als Füllmaterial für Bettunterlagen verwendet wurde. Seegras - die einzige Blütenpflanze der Ostsee. Auf seinen Blütenblättern ausgestreckt und sicher ruhend auf seinen Blättern und Wurzeln, fiel sie im Sommer mehr als einmal in einen von Nesselquallen und Sonnenbrand fiebrigen, salzig-süßen Schlummer, bevor die peitschenden Sturmwinde kamen und bevor sie von der Brandung aus riesigen, turmhoch tosenden Wellenbergen mit tanzenden weißen Schaumkronen verschlungen wurde in die dunkelsten Tiefen der Baltischen See....





Über das Gedicht

Veröffentlicht: 02.09.2003
Kategorie: Kurzgeschichten

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