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Berliner StattPläne - Gedächtnisprotokoll eines Elternsprechers

Gabyi - 2005

Gedächtnisprotokoll eines Elternsprechers über ein Gespräch mit einer Lehrerin
oder eines der Puzzleteile der Steine auf dem Weg zu den Gründen, warum heute unser Schulsystem zur Disposition steht


Auf der Elternversammlung der 4c (Grundschule in Berlin-West) am 13.03. kam das Abschreiben dreier Strophen eines Berliner Volksliedes zur Sprache, das Frau S. unseren Kindern unlängst aufgegeben hatte. Nach den Berichten der Kinder hatte es sich hierbei um eine kollektive Bestrafung gehandelt. Es wurde beschlossen, Frau S. durch den Elternsprecher mitteilen zu lassen, dass die Eltern diese Maßnahme missbilligen.

Das daraufhin anberaumte Gespräch zwischen Frau S. und mir fand am 14.03 um 11 Uhr statt. Frau S. war auf das Thema vorbereitet und stellte schon zu Beginn klar, es habe sich beim Abschreiben der Strophen um eine gewöhnliche Hausaufgabe gehandelt, nicht um eine Strafarbeit und schon gar nicht um eine Kollektivbestrafung. Derartige Maßnahmen entsprächen nicht ihrem Erziehungsverständnis. Verbunden wurde diese Behauptung mit der Warnung, sich unbesehen auf die Aussagen unserer Kinder zu verlassen. Diesen fehle es häufig an Differenzierungsvermögen; sie verstünden manches unvollständig oder falsch. Auch mögen sie versucht sein, die Eltern gegen die Lehrer auszuspielen.

In meiner Erwiderung stellte ich diese Möglichkeiten nicht grundsätzlich in Frage, wies aber auf die Einhelligkeit hin, mit der die Kinder die fragliche Hausaufgabe als Strafarbeit aufgefasst hätten. Von 13 der insgesamt 23 Schüler sei mindestens ein Elternteil zur Versammlung gekommen und alle hätten aus den Erzählungen ihrer Kinder den Eindruck einer Bestrafung gewonnen. Nach Frau S.'s Darstellung müsse also ein kollektives Fehlverständnis seitens der Kinder vorliegen. Ein für mich unwahrscheinlicher Fall. Immerhin bliebe festzuhalten: auch wenn das Abschreiben als gewöhnliche Hausaufgabe gedacht war, von den Schülern wurde es als Strafarbeit empfunden, wodurch die pädagogische Absicht der Aufgabe offensichtlich Schaden genommen habe. Lieder seien schließlich zum Singen da. Zum Abschreiben gebe es sicher geeignetere Objekte, mit denen man nicht Gefahr laufe, den Schülern die Freude an der Musik zu nehmen.

Ich berichtete sodann von der Darstellung der Kinder, es sei in der Klasse unruhig gewesen, und es habe eine schrittweise Erhöhung der abzuschreibenden Strophen von eins bis drei gegeben, bis Ruhe eintrat. Außerdem habe Frau S. auf die Proteste einiger Schüler hin bemerkt, sie könnten sich ja bei den anderen, die laut geblieben sind, bedanken. Diese Darstellung wies Frau S. als unwahr zurück.

Wir beendeten das Gespräch mit der Feststellung, dass es den Eltern selbstverständlich vorbehalten bliebe, ihre Kinder von einer Hausaufgabe zu befreien, wenn sie davon überzeugt seien, es handele sich um eine unberechtigte Strafarbeit. Ob eine solche Maßnahme allerdings erzieherisch klug sei, wolle Frau S. dahingestellt lassen.


(Realsatire)

aus "Berliner StattPläne"





Über das Gedicht

Veröffentlicht: 01.12.2005
Kategorie: Satire & Parodie

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