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Come to me - #MeeToo

Gabyi - 2017

Come to me - me too

Es ist schon sehr, sehr lange her.
Aber ich habe den Vorfall nie vergessen. Niemals habe ich jemandem davon erzählt, auch nicht meinen Eltern. Ihnen erst recht nicht.
In unserem alten Haus, das meinem Opa gehörte, wohnte ein junges Paar zur Untermiete. Sie hatten zwei kleine Kinder. Ein Mädchen und einen Jungen, der noch ein Säugling war. Wir Kinder gingen gern zum Spielen zu ihnen hinunter, weil wir die beiden Kleinen niedlich fanden und weil unsere Mutter nicht so gern mit uns spielte. Das Baby hatte seinen Namen aus den beiden Namen seiner Eltern synthetisiert. Dietmar, aus Margot und Dieter. Dieter war Student an der Bauschule des Ortes und Margot Volksschullehrerin. Sie hatten sich einfach in unser Haus einquartiert, weil die Vormieter Verwandte von ihnen waren. Mein Großvater wurde nicht gefragt und war zu alt, um sie rauszuwerfen. Meine Eltern zu schwach und zu feige dazu. Die Vormieterin hatte den Ruf, eine Hure zu sein. Sie arbeitete im sogenannten Kaiserhof, einem alten Haus nicht weit von der Borbyer Strandpromenade entfernt.
Die Frau des Bauschülers, die Lehrerin Frau B., war gegenüber uns Kindern ungewöhnlich zugewandt.
Sie bot mir an, meinen Geburtstag auszurichten und ihn mit mir und meinen Gästen zu feiern. Meine Mutter war damit meist etwas überfordert gewesen. Die vielen Geschenke, die vielen Torten, die vielen Kuchen, die vielen Kinder mit den vielen Geburtstagsspielen samt Gewinnen. Würstchen mit Kartoffelsalat nicht zu vergessen.Topfschlagen, Eierlaufen, Versteckspielen und so weiter. Sie tat sich schwer damit, so viele Kinder zu beaufsichtigen.
Nach überstandener Prozedur ging ich mit den Gästen meist zum nahegelegenen Strand.
Aber diesmal wollte Frau B. ihr Glück versuchen.
Sie hatte mehrere Spiele vorbereitet. Eines davon war folgendermaßen auszuführen. Sie hatte mit mir zusammen dazu mehrere Accessoires auf Papier aufgemalt und mit der Schere ausgeschnitten. Zum Beispiel Hut, Tasche, Zigarre oder Regenschirm. Dazu kam noch ein größeres Plakat mit einem ganzen Menschen, der zeitgemäß wahrscheinlich ein Mann war.
Beim Gewinnspiel sollten die Geburtstagsgäste das entsprechende Teil an die richtige Stelle mit einer Heftzwecke befestigen. Der Clou dabei war: mit verbundenen Augen. Ziel des Spiels war, es trotz Blindheit zu schaffen, das Accessoir an die richtige Stelle zu plazieren.
Wer dabei was gewann, habe ich leider komplett vergessen.
Aber nicht, dass ich die ganze Zeit nur von dem einen Gedanken besessen war, die Zigarre zwischen die Beine zu heften. Was ich an meinem Geburtstag dann auch in die Tat umsetzte. Da stand es nun. Das Plakat, das einen Mann zeigte mit einer riesigen Zigarre zwischen den Beinen.
Keiner sagte etwas dazu, Niemand verlor ein Wort. Tabu. Ich war entäuscht.

Rückblende:
Dieter hatte einen großen Schreibtisch in einem kleinen Raum neben dem Wohnzimmer, den man über eine kleine Treppe betreten konnte.
Ich war an diesem Tag allein mit ihm. Mein Bruder war woanders und Margot war mit den Kindern einkaufen gegangen. Herr B., also Dieter, erzählte mir, dass er und seine Frau sich gegenseitig nackt gemalt hatten. Er rief mich zu sich nach oben über die kleine Treppe. Ich sollte mir die Bilder ansehen. Er hatte einen großen dicken Ordner mit Nacktkonterfeis von sich und seiner Frau vor sich liegen. Er blätterte um. Guck mal, wie findest du das ?
Mir wurde leicht blümerant beim Angucken, eigentlich wollte ich das nicht sehen.
Ich kannte nur die kleinen P***sse meiner Brüder - bisher. Den Schwanz meines Vaters kannte ich auch nicht bewusst und wollte es auch gar nicht.
Ich hatte irgendwie ANGST vor diesem riesigen Stück Fleisch. Warum auch immer.
Aber jetzt dieses. Ich bekam ein ganz komisches Gefühl. Mir wurde irgendwie schlecht. Ich wollte nur weg hier. Ich war etwa 10 Jahre alt und mein Bruder 7. Aber er war nicht da.
Ich war allein mit Herrn B.
Ich wollte das nicht, aber meine Erziehung hinderte mich irgendwie daran, mich durchzusetzen und wegzulaufen.
Erst sehr viel später erkannte ich den exemplarischen Fall eines typisch verlaufenden sexuellen Übergriffs.

Schnitt:
Margot bot an, für uns Kinder Faschingskostüme auf der Nähmaschine zu nähen. Ich wollte zu gern als Rose gehen. Mein kleiner Bruder als Ritter. Meiner Mutter fehlte die Nähmaschine und die nötige Geduld dazu. Das Ergebnis gefiel uns sehr gut, meine Mutter hatte aber, wie immer, etwas daran auszusetzen. Der Rosen-Tutu war nicht akkurat genug genäht für ihren Geschmack. Das sagte sie auch so zur Lehrerin. Mir war es total peinlich. Es war nicht das erste Mel, dass mir meine eigene Mutter peinlich war.
Danach gingen wir nicht mehr zu den Beiden mit ihren Kindern hinunter.
Nur noch eine Episode habe ich in Erinnerung behalten. Das war, dass meine Mutter Dietmar angeblich das Leben gerettet hatte, als seine Mutter ihn allein zu Hause ließ und der im Gitterbettchen auf dem Rücken liegende Säugling sich übergeben hatte. Meine Mutter hörte das und kümmerte sich um ihn.





Über das Gedicht

Veröffentlicht: 12.12.2017
Kategorie: Kurzgeschichten

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