Mit Brille wär das nicht passiert!

Ihr lieben LE-ler, darf ich es wagen
Euch heulend und schluchzend mein Leid anzutragen?
Mich hat wer verhext, es ist wie verflucht,
so lang schon hat mich kein Vampirchen besucht!
Warum? Nun, ich weiß es und will Euch nicht quälen,
werd' eilen und gleich die Geschichte erzählen:

Schlag Mitternacht war's, als jäh ich erwachte,
mir träumte gerade von Blümchen und Bienchen,
als draußen (Oh Himmel!) es schauerlich lachte.
Dann fuhr etwas Dunkles durch meine Gardinchen
und landete, jählings, direkt vor dem Bette,
es knirschte und fluchte und heulte ein bischen,
ich dachte mir: Petra, nun sei eine Nette,
hilf ihm auf die Beine und gib ihm ein Küsschen.
Und wie ich es aufhob, es herzte und küsste,
da grinste es frech bis ans Fledermausöhrchen
und meinte: "Madame, nicht erschrecken, ich müsste
sie beißen!" Und da fing es an, das Malheurchen!
Denn während das Kleine die Zähne schon bleckte
gefror mir mein Blut, das war hier kein Spiel!
Wer freundliche Englein, (wie ichs bin!), erschreckte,
bekommt letzten Endes nur Rotes am Stiel!
"Nun warte doch!" rief ich, "Das Blut muss erst tauen!
So klein und so gierig, hat Blut es gerochen!"
Doch gierig wie's war hat es gleich mir gehauen
den Zahn in den Hals: und der ist abgebrochen!
Die Augen, sie waren ganz blutunterlaufen
und so ein Vampirchen hat zwei von den Zähnchen!
"Ich will", ächzte es, "endlich Rotes jetzt saufen!"
da brach auch das zweite, das andere Zähnchen.
Es heulte und schluchzte zum Gotteserbarmen:
"Ich bleibe nun hungrig, nur das ist gewiss!"
Ich wiegte es liebevoll in meinen Armen:
"Ach Kleiner, nun wein' nicht, du kriegst ein Gebiss!"

Und hab es, noch mitten in dunkelster Nacht,
auf meinem Besen zum Zahnarzt gebracht.
Seitdem muss ich warten und grübeln und flehen:
"Hat niemand von Euch mein Vampirchen gesehen?"
Der Undank allein ist mir trauriger Lohn.
Klatscht da was ans Fenster? Ich komme ja schon...