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Das mystische Alphabet: B wie Besen

Petra Friedel - 2012

„Kasper, hilf, sonst lass ich’s bleiben:
Soll heut‘ über Besen schreiben!“

Kasper kommt und zieht den Hut:
„Gnäd’ge Frau, das trifft sich gut,
denn die Hexe Knatterbesen
ist vor Jahren dumm gewesen,
kaufte bei „Elektro-Späth“
ein metallenes Gerät,
lässt sich nun seit diesen Tagen
knatternd durch die Lüfte tragen!
Dieses Ding tät‘ mich genieren,
doch ich musste es probieren!
Gestern war es, als ich dachte:
Fliegen will ich! Denn es lachte
mich das Ding samt Motor an-
und ich flog wie Bollermann!
Rechts und links und durch die Mitte,
bis ich schließlich (Lach nicht, bitte!)
bremsen wollte, sicher landen.
Doch das Ding ließ hart mich stranden
auf dem Autodach von Meier.
Und ich sag dir, meine Füße
schmerzen heut‘ noch von der Landung.
Und die Hexe ließ 'ne Fahndung
nach dem Besenmörder los!
So ein Schiet- was mach‘ ich bloß?
Denn der Besen, ungelogen,
ist verbeult und arg verbogen!
Komm jetzt, los: Du gibst die Hexe!“
„Sapperlot und Tintenkleckse:
Sag mal, Kasper, bist du doof?
Ich bin adlig und vom Hof!
Ich die Hexe? Nie im Leben!“
Kasper muckelt: „Willst du streben
denn nach Ruhm, wenn ich hier weine?
Ach, ich dachte, du bist meine
beste Freundin und mein Retter!
Ja, ich fände es viel netter,
wenn wir zwei jetzt mal probieren
dieses Ding zu reparieren!“

Stöhn und seufz: „Na gut, mein Lieber,
werd‘ ich halt im Wahnsinnsfieber
hier die blöde Hexe geben!
Vorhang auf: Hier spielt das Leben!“




Es schlurft, poltert und ächzt, die Hexe erscheint. Reibt sich die Augen, fährt durch die zerzausten Haare und rückt ihren braunen Schlabber-Rock zurecht, reibt mit dem Finger kurz ihre Zähne und versucht mit demselben, ihre buschigen Augenbrauen in Form zu bringen. Geht unter Gähnen in eine Ecke des Raumes und krächzt mit unangenehmer Stimme:

Aaah, da bist du ja, mein Besen!
Tausendsassa, Wunderwesen!
Ja, ich habe gut geschlafen
Und wie es sich für 'nen braven
Knatterspund gehört, mein Lieber,
hat der längst schon Lampenfieber
und will durch die Lüfte brausen:
Ja, ich weiß schon, du willst sausen!
Ist dein Akku aufgetankt?
Huch, die alte Hexe schwankt
und wird sich vor allen Dingen
jetzt auf deinen Rücken schwingen!


Die Hexe nimmt einen Staubsauger aus der Ecke und setzt sich rittlings darauf.

Huii und Buii, jetzt lass uns fliegen!
Wollen Gänsehäutchen kriegen
oder ein paar Fledermäuse,
(ohne Zecken oder Läuse),
auf den Wiesen Frösche jagen,
woll’n sie gleich im Fluge plagen
und aus ihren Pfützen reißen.
Sie ums Froschkonzert betrügen,
hach, das wird ein feiner Spaß,
Knatterbesen! Sag mal was!
Bist so schweigsam, magst nicht steigen-
Was ist los, bist du heut eigen?


Hexilein steigt vom Besen ab und geht, verdattert schauend, um ihn herum, reißt die Hände hoch und die Augen verzweifelt weit auf:

Saaag mal, wer hat dich verprügelt?
Scharf geritten, streng gezügelt?
Hast Blessuren, Kratzer, Beulen:
Besen, ach, ich könnte heulen!
Du, mein lieber, guter Besen,
bist mir immer Freund gewesen!
Komm, ich will die Wunden schmieren
und dann werden wir probieren
ob du wieder fliegen kannst,
mit mir durch die Lüfte tanzt!



Sagt es, holt ein Fläschchen Öl, kleckert hier und da ein Tröpfchen auf den Besen und steigt wieder rittlings auf:

Krötenschleim und Mäusedreck:
Besen, hebe dich vom Fleck!
Lass den Motor feste rattern,
deinen Auspuff räuchernd knattern:
Siehste, geht doch! Wie wir fliegen!
Sind schon ziemlich hoch gestiegen!
Was ist das? Sag, bist du blöde?
Kreise fliegen ist doch öde!
Statt das ich mir Frösche fang,
spielst du hier den Bumerang?
Krach und Peng und Puff und Aua!
Schau, da ist ein Fleck, ein blaua!
Heul und schluchz- ich lieg im Dreck,
Besen! Schmeiß ich dich jetzt weg?



Die Hexe ist, während sie auf und mit dem Besen schnatterte, immer nur im Kreis herumgeflogen und schließlich unter lautem Wehgeschrei abgestürzt. Reibt sich den Po, guckt den Staubsaugerbesen ärgerlich an und sagt schließlich:

Nun, es weiß der rechte Kenner:
Hier braucht’s einen Bunsenbrenner!
Statt den Arsch dir zu versohlen,
werd ich eben jenen holen!
Ganz verbogen ist dein Stiel
und da hilft nur Hitze. Viel!



Sie geht zu einer alten Holzkiste und es fliegen, während sie darin herumwühlt, rechts und links die Gegenstände heraus und poltern auf den Boden. Schließlich richtet sie sich auf und hält den Bunsenbrenner stolz nach oben:

Ordnung ist das halbe Leben
und ich hab, gerade eben,
diesen Brenner hier gefunden:
Besen, nun wirst du gesunden!
So, jetzt machen wir ein Feuer,
sprühend, blitzend! Ungeheuer
heiß wird’s dir am Stielchen werden,
doch danach bist du auf Erden
wieder allerschnellster Besen,
brav und folgsam, auserlesen!
Wie das knistert, zischt und prasselt,
schau doch nur: was hier vermasselt
einst ein ungeschickter Reiter,
wird nun heil. Oh nein, kein zweiter
Besen könnte sein wie Du!
Freu und lach und hüpf: Juchhu!

Sieh doch nur, mein Freund, das Fenster
Ist schon auf! Los geht’s! Gespenster
birgt die Nacht, dass ich sie jage!
Huiii und Tschüssi, bis die Tage!


Und weg ist sie, die Hexe. Ein Chaos zurücklassend, die Kiste steht einsam mit offenem Deckel da und der ganze Inhalt ist noch immer auf dem Boden verstreut. So sind Hexen nun einmal, unordentlich bis zum Gehtnichtmehr! Der Kasper kommt auf die Bühne zurück, er hat wohl die ganze Zeit ängstlich hinterm Vorhang gehockt und mit schlechtem Gewissen durch ein kleines Loch im Vorhang geblinzelt, um auch ja nichts zu verpassen:

„Ach, was bin ich froh, ihr Lieben,
auch wenn Knatterchen die Sieben-
sachen hier nicht aufgeräumt!
Denn mir hatte schon geträumt,
Hexilein käm schnell dahinter,
dass hier nicht ein ziemlich blinder
Depp den Besen hat verbogen,
sondern ‘Kasper Ungezogen‘!

Sag Euch heute ganz alleine
Tschüss- denn Hexilein, die Kleine,
ist nun ganz erschöpft vom Schreiben,
lässt das Kleckseln heute bleiben.

Morgen wär das C zu haben
aus dem großen Buch der Staben
und für heute ist nun Schluss,
weil ja auch mal Schluss sein muss.
Und es wäre wieder Segen,
nähm ich Vorschläge entgegen …





Über das Gedicht

Veröffentlicht: 11.11.2012
Kategorie: Mystisches & Unheimliches

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