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Herbstvisite

SergeD. - 2004

Du lächelst, wenn an einem Sonntagmorgen
nach einem Herbststurm wir spazierengeh'n.
Du lächelst, weil du weißt: ich mach' mir Sorgen
und will nach ein paar alten Bäumen seh'n.

Vielleicht bist du gar etwas eifersüchtig
auf diese vier, fünf Stämme, fragst dich stolz:
"Was findet er so attraktiv und wichtig
an diesen morschen alten Stücken Holz?!"

Ich kann es selber nicht genau erklären...
Weißt du: ich kenn' sie länger schon als dich...
Es ist, als ob sie alte Freunde wären
und irgendwie orakelhaft für mich.

Sie sind die letzte Handvoll treuer Seelen
aus einer einst viel umfangreich'ren Schar
von Zeugen meiner Kindheit, und es fehlen
von ihnen immer mehr nun Jahr für Jahr.

Die Menschen schenken ihnen das Vertrauen
nicht mehr: ein Ast könnt' niederstürzen, und
so werden sie vorsorglich abgehauen.
Nur diese Handvoll scheint noch kerngesund...

Und wenn ich unversehrt sie wiederfinde
nach einem solchen Herbstes-Sturmgebraus,
dann streich' ich lächelnd über ihre Rinde
und spreche ihnen meine Achtung aus.

Gut: ein paar Zweige haben sie verloren,
gewiß! Zu heftig hat der Sturm gehaust.
Wer aber bleibt im Leben ungeschoren?
Wer wird nicht durchgebeutelt und zerzaust?

Doch es beruhigt mich seltsamerweise,
sie fest wie eh und je da steh'n zu seh'n:
verwurzelt, sturmerprobt. - Du lächelst leise.
Schon gut: jetzt können wir nachhause geh'n...





Über das Gedicht

Veröffentlicht: 08.11.2004
Kategorie: Nachdenkliches

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