Impressionen von einer Beerdigung

MENSCH, WO IST DEIN SIEG?

"Wo ist dein Sieg, Tod?!" Leider klingt der Hohn
in diesem schönen Lied nicht echt - allein:
Der Mensch erträgt es nicht, sein Sterblichsein. -
Vielleicht ist jederlei Religion

nur eine jämmerliche Konstruktion
um von der Angst vorm Tod sich zu befrei'n.
Und als Versüßung gibt es obendrein
noch für die Guten jenseits einen Lohn...

Vanitas vanitatum, eitler Geck!
Woran du glaubst auch, Mensch: du mußt dran glauben!
Staub bist du, und du wirst zurück-verstauben!
Es hilft nichts: eines Tages bist du weg!
Denk, glaube, bete - Rettung gibt es keine!

"Wo ist dein Sieg, Tod"?! - Mensch, wo ist der deine?!



DER ROSENKRANZ

Und auf dem Trauerzug zum Friedhof dann -
Marschordnung nach Verwandtschaftsgrad, von drei
Vereinsstandarten angeführt: "Weg frei!" -
fängt wer den Rosenkranz zu beten an.

Es ist ein langer Weg, und irgendwann
nervt - mich zumindest - diese Litanei:
stumpfsinnig-monotone Beterei,
damit nicht etwa Schmerz sich äußern kann.

Nein, dies Gebet gilt keineswegs der Leiche!

Im Beter selbst soll dieses ewig gleiche
Geleiere den Schmerz einlullen, töten.
Den Hinterbliebenen ist es vonnöten,
die weiterleben müssen ja durchaus:
von Rosenkranz gestärkt - und Leichenschmaus.



BLÄTTER IM WIND

Ein Paradox, wenn man's genau bedenkt:
Der Tod hat eine Wurzel abgeschlagen
vom Stammbaum der Familie sozusagen -
und jetzt wird in die Erde sie gesenkt...

Wer ist nun übrig noch, der Einheit schenkt,
Zusammenhalt wie einst, in alten Tagen?
Das Blattwerk wird vom Wind davongetragen:
Schon kennt einander man nur noch beschränkt,

sieht sich nur selten, lebt sein eig'nes Leben.
Bald wird den Sippengeist es nicht mehr geben;
vielleicht erlischt sogar der Name bald:

Auch meiner ist's... Heut' läßt er mich erbeben,
als er an einem off'nen Grab erschallt.
Der Wind bläst übern Friedhof, eisig kalt.