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Der Geschichtenerzähler auf dem Basar

SergeD. - August 2015

Lang schlürft er Tee, bevor er zu erzählen
beginnt. Er trinkt und blickt dabei ringsum,
studiert sein dichtgedrängtes Publikum:
Die passende Geschichte muß er wählen.

Ganz vorn – und kaum noch fähig stillzusitzen –
die Knaben. Sie erwarten Abenteuer,
Seefahrten, Kämpfe gegen Ungeheuer ...
Er sieht die Lust in ihren Augen blitzen.

Dahinter junge Männer, unvermählte.
Auch sie verzücken Heldentaten, doch
gespannter, stiller lauschten sie ihm noch,
wenn er von einer Braut dabei erzählte ...

Die Mädchen halten sich im Hintergrund,
verschleiert, schüchtern, stets bereit zu fliehen.
Ein Märchenprinz wird in den Bann sie ziehen;
dann kleben sie wie Harz an seinem Mund.

Den Männern, die das Leben plagt tagtäglich,
die unzufrieden sind mit ihrem Lohn,
macht Hören von noch weitaus härt'rer Fron
ihr eig'nes Schicksal wieder ganz erträglich.

Die Ehefrauen weiß er zu beschenken
mit Wendungen voll leiser Ironie:
Die Helden laß die Männer sein, doch sie,
die Frauen, sind es, die die Männer lenken.

Und hinten sitzen heut' auch ein paar Greise.
Mit Dichterworten wird er ihnen schmeicheln,
die Bärte ihnen mit Sentenzen streicheln,
Respekt dem Alter zollen: es macht weise.

Noch ein Schluck Tee, dann hat er seine Wahl
getroffen und hebt leicht den Kopf. Im Nu
verstummt ist der Basar und hört ihm zu.
Er lächelt und beginnt: "Es war einmal ..."





Über das Gedicht

Veröffentlicht: 01.09.2015
Kategorie: Beziehung

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