Das Karussell

Die Spielzeugeisenbahn, die nur ein Gleis
besitzt, kein Weichen zuläßt aus der Schiene,
fährt immer, Jahr und Tag, im selben Kreis.
Das bunteste und schönste Karussell
bleibt Hamsterrad: es kommt nicht von der Stell'.
Das langweilt bald schon; tut mir leid, Sestine.


Die nur sechs Wörter, die du gönnst, Sestine,
als Versschluß, sind mir ein zu enges Gleis.
Mag sein, daß ich bloß ungeschickt mich stell',
weil neu mir noch die Fahrt auf dieser Schiene -
ich fühl bei dir mich wie im Karussell,
als dreht' ich wie ein Tanzbär mich im Kreis.


Gewiß, ich weiß, daß ein erlauchter Kreis
von Dichtern einst dich hoch geschätzt, Sestine.
So mancher eben fährt gern Karussell ...
Doch ich, als unbequemer Geist, entgleis'
zu gern, spring provokant aus jeder Schiene.
Verstündest du mich wohl an meiner Stell'?


Barock und steif scheint mir dein Fahrgestell,
so recht für einen Erzpedantenkreis
gemacht, der der Poetik Weisungsschiene
befolgt, weil ihrer er bedarf, Sestine.
Bei Ludwigs lobte man das Einbahngleis
und drehte brav sich mit im Karussell.


Es gibt manch wunderschönes Karussell,
ganz unbestritten, und ich unterstell'
denjenigen, die Spaß an diesem Gleis
empfinden, gern sich sechsmal dreh'n im Kreis,
deswegen keine Denkfaulheit, Sestine.
Es ist halt eben nur nicht meine Schiene.


Gäb's nichts, was mir verlockender erschiene
als dein Sechs-Schaukelpferdchen-Karussell,
dann würd' vielleicht 'was aus uns zwei'n, Sestine.
Doch lieber mag ich's vierzehnzeilig, stell'
ich fest: mich hat im Bann- und Zauberkreis
längst das Sonettchen, mein Ad-astra-Gleis.


Ein Einbahngleis erscheint mir deine Schiene;
du drehst im Kreis dich wie ein Karussell
und kommst nicht von der Stell' dabei, Sestine.