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Gedichte, die die Welt nicht braucht

SergeD. - August 2006

Gedichte, die die Welt nicht braucht


Heut' ist mir klar, wer damals mich besuchte!
Wie oft ich meine Dummheit schon verfluchte,
daß ich ihn seinerzeit nicht gleich erkannte,
mit einem Kruzifix ihn von mir bannte,
ihn für ein Muschen statt den Teufel hielt!
Nun denn: er hat mir übel mitgespielt,
seitdem er lächelnd mir den Rat gab: "Hier,
mein Freund, sind Feder, Tinte und Papier!
Ich helf dir! Rasch die Feder eingetaucht!
Schreib! Schreib Gedichte, wie die Welt sie braucht!"


Zeigt mir den Stümper, der sich nicht ein bißchen
geschmeichelt fühlt nach solchem Musenküßchen!
Und also fing auch ich an, nachzudenken,
mich in die Welt der Lyrik zu versenken.
So manch Ideechen kam mir in den Sinn,
ich packte es in Reim und schrieb es hin -
genasführt, ahnungslos, ein reiner Tor:
Indes mir meine "Muse" nach wie vor
spitzbübisch Küßchen auf die Wange hauchte,
schrieb ich Gedichte, die die Welt - nicht brauchte.


Von Liebe, Leid und Tod hab ich geschrieben,
kein Thema schier ist unberührt geblieben
im Lauf der Zeit vom Eifer meiner Feder.
Mein Bett ward mir zum liebsten Schreibkatheder
und ich hab sicher nicht bloß eine Nacht
drin, Blatt um Blatt bekritzelnd, durchgewacht.
Ach, wie begeistert ich gedichtet hab,
Vorbilder las auch und mir Mühe gab,
daß rhythmisch ich den Vers zusammenstauchte -
in den Gedichten, die die Welt nicht brauchte.


Oh ja, ich schrieb auch über heikle Themen
und nannt' mich "Einer von den Unbequemen",
ergriff Partei - sarkastisch, scharf bisweilen -,
um andern meinen Standpunkt mitzuteilen -
noch immer für die Grunderkenntnis blind,
daß Worte nichts als Worte, unnütz sind,
Kassandrarufe, die im Wind verwehn.
Ich brauchte Jahre, um das einzusehn.
Wie mutig manch Gedicht auch bellte, fauchte:
es war eins jener, die die Welt nicht brauchte.


Nun endlich habe ich Bilanz gezogen:
Der Teufel hat mich lang genug betrogen,
genug Papier und Tinte ist verschwendet;
Zeit wird's, daß dieses eitle Schreiben endet!
Denn - ja! - fällt die Erkenntnis auch sehr schwer:
nur Eitelkeit ist Schreiben - und nichts mehr!
Die Muse hat sich längst verdrückt - zum Glück! -,
und kehrt selbst eines Tages sie zurück,
dann - - -
tja, dann - - -
schreib ich, bis die Feder raucht,
Gedichte wieder, die die Welt nicht braucht!





Über das Gedicht

Veröffentlicht: 11.09.2006
Kategorie: Feste & Feiertage

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