Frühlingsspaziergang

Frühlingsspaziergang
(Vom Eise befreit...)

[Mit der reuigsten Bitte um Vergebung an den Herrn Geheimrat]


Vom Eise befreit sie Strom und Bäche
mit ihrem holden, belebenden Blick.
Noch einmal grünet Hoffnungsglück
dem Alten in seiner Winterschwäche.
Schon zog er sich rauh in sein Stübchen zurück,
die Menge fliehend, und schrieb dort nur
Ohnmächtiges, schaurig-traurig Greises
und streifte im Schlafrock über den Flur.

Sie aber, sonnig, bricht seines Eises
Schollen, will sich bilden und streben,
will seine Welt neu mit Farben beleben.
Blumenlos längst war sein Geistesrevier;
jetzt hat er Blumen und Sonne an ihr.
Ja, sie bekehrt ihn, aus Einsiedlershöhen
wieder zurück unter Leute zu gehen!

Und aus dem finsteren alten Tor
lockt sie noch einmal den Jüngling hervor,
wandelt ersichtlich nicht unstolz und gern
am Arme des dichtenden älteren Herrn,
der sich fühlt wie wiederauferstanden
aus niedern Geistes-Grabgemächern,
der fühlt sein Herz in Liebesbanden,
wenn ihre Wimpern Blicke fächern.

Aus der Gedanken Tristheit und Enge,
aus phantasieloser ewiger Nacht
hat sie zurück ihn ans Licht gebracht.
Sie, nur sie!, kennt an Tricks jede Menge,
wie sie ihm Stumpfsinn und Grillen zerschlägt.
Hat sie doch Beinchen von herrlicher Länge,
und er sieht zu gern, wie sie die bewegt!
Scheinen sie ihn doch stets einzuladen -
und da trügt durchaus ihn nicht nur ein Wahn -
mit zu lustwandeln auf Frühlingspfaden;
und dazu blinzelt sie schelmisch ihn an.

Frühlingsspaziergang im Lakengetümmel
und dazu lächelt die Sonne vom Himmel:
Bald jauchzen Jung und Alt zu zwei'n:
"Hier bin ich! Mensch, darf's nochmal sein?"