Rinderwahn

[Anmerkung:
Für LEser, denen das folgende "Hart-Bayrisch" doch eine Spur zu unverständlich ist, setze ich eine schriftdeutsche Prosa-Version des Gedichtes ins Forum.
Anhand dieser werden sie begreifen, daß das Werk unbedingt in der "dumpfestmöglichen" Mundart geschrieben werden mußte.]


RINDERWAHN

In unserm Dorf, in unserm Gai,
do hot si nia nix gfeit!
Mir hamm gsunds Fuader, Gros und Hei,
des gsünder weit und breit!

Mir hamm a Luft wia in de Berg,
Quäiwasser, ohne Dreg!
Und aa des näxt Adomkraftwerk
is z'weiderst von uns weg!

Die Gmoa is fromm und tugendhaft,
geht gern in d' Kirch und bet't.
Warum grod uns der Herrgott straft,
woaß aa der Pfarrer net.

Der Schmidin freilich ihrer Kind,
des war in Schand geborn.
Und weils empfangen war in Sünd',
is's aa a Depperl worn.

Die Schmidin hods dahoam versteckt,
weil d' Kinder hamm hoid scho
des ihr, den Dorfdepp, recht derbleckt.
Doch des geht uns nix o.

So lang net, bis der Herrgott na
des ganze Dorf hoamsuacht
mit seiner Straf! Dabei is ja
bloß dees oa Kind verfluacht...

Weil: "Aug' um Auge, Zahn um Zahn!"
Der Herrgott hoit se dro -
und schickt am Dorf den Rinderwahn,
für den koa Mensch nix ko.

Dem greßtn Bauern von der Gmoa
is 's Viech verreckt, bis leer
sei Stoi war. "Mei, i ko nix toa...",
hod gsagt der Vettrinär.

Na hods der Bauer säiber to.
Net er, dees gang ja schlecht:
er is a gottesfürcht'ger Mo
und hod ja seine Knecht.

"Reiß lieber dir ein Auge aus,
eh daß du ganz verdirbst!" -
"Das Glied, das faul an dir ist: hau's
dir ab, eh dran du stirbst!"

So hamm am Bauern seine Knecht
in einer stillen Nacht,
mit Weihwasser gesegnet, recht
ein frommes Werk vollbracht.

Es konn ja schließlich doch net sei,
daß wegen einer Sünd
des ganze Viech verreckt! Des Ei-
sehng hod doch scho a Kind!

Die Schmidin freilich redt mit koam
seitdem mehr aus der Gmoa,
hockt staad seitdem alloa dahoam
und woant am Grob alloa.