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Wunschkonzert

SergeD. - Januar 2014

Am letzten Adventssonntag war's, ummerer viere Nammidog. Draußd war's scho finster. I hob mir grod an Kaffee gmacht ghabt und a paar Kerzerl im Zimmer ozindt zwengs der Gmiatlichkeit, da kummt mir die Idee: Saxendi, eigentlich kanntst amal schaun, ob's net im Radio a bisserl a Adventsmusik bringan.
Sonst schalt i den ja immer glei wieder aus, wenn mi des amerikanische Gsangl und Gedudel ospringt aus sämtliche deitschen Lang-, Kurz- und Mikrowellensender, aber desmoi hob i mir Zeit gnommen und geduidig hin- und herdraht an dem Suachknopf, ob i net doch irgendwo epps Vorweihnachtlichs find. Und auf oamoi hör i die Stimm von damois, genauso papperlsiaß wia damois und mit genau demsäibn Text wia damois vor Stuckerer vierzg Johr, wo i no a kloaner Schuibua gwesen bin.

Fast jeden Sonntag sammer da zum besten Freind von meim Opa nausgfahrn, weil der an riesigen Garten hinter seim Haus am Hang nauf ghabt hat, mit am Fischbasseng, einer Liegewiesen, mit Beete für Gurken, Solod und Tomaten, mit Stache- und Woiderdbeeren, oiß auf drei Terrassen stufenförmig oglegt. Ganz oben am Berg aber war des Interessanteste für mi: a Hutschen unter am großmachtigen Oachbaam, wo ma si fast bis in Himme hat naufschwingen können, dahinter a kloaner, aber dichter Mischwoid aus Birken und Nodelbaam, ideal zum Versteckerlspuin, und mittendrin in dem Woid a Hoizhütten, fast wia a Hexenhäusl, und davor war aa no a gmauerter Kamin, daneben a Tisch mit einer Eckbank. Irgendwo in derer Nischen is auf am Brettl a battrietriems Radio gstanden. Und jeden Sonntag hat's auf dem Tisch an Kaffee geben mit am selberbachern Kuacha dazua – den hat mei Oma mitbracht und den hat sogar der Onkel Lenz probiert, obwohl der nie beim Kaffee mittrunken hat, sondern allerweil sei Halbe Bier wollt stattdessen – und ausm Radio hat a papperlsiaße Frauenstimm, seltener aa a Mannsbuid, mitgeteilt, daß die Obermeier Kreszenzia heute bei bester Gesundheit ihren 85. Geburtstag im Kreise ihrer sieben Kinder, dreizehn Enkel und fünf Urenkel begeht und ebendieselben ihr auf diesem Wege herzlichst die besten Genesungswünsche und noch viele weitere Jahre zukommen lassen, zusammen mit der folgenden Arie aus dem Zigeunerbaron, gesungen von dem weltbekannten Tenor Rudolf Schock.
Mei, hat mi das seinerzeit gnervt! Scho das brave Stillsitzen-, Kaffeetrinken- und Kuchenessenmüssen unterm Erwachsenenraatsch drin, der mir so wurscht war wia nur grad wos, is für mich als tatendurstigen und abenteuerhungrigen Lausbuben eine Qual gwesen. Aber das mit Abstand Schlimmste war diese zusätzliche Ohrenfolter namens Wunschkonzert. Vermutlich kann sich aa heut no a jeder vorstellen, daß der Musikgschmack eines pubertierenden Junggymnasiasten vom Melodienangebot des bayrischen Regionalradio-Wunschkonzerts aufs entschiedenste abweicht. War ja aa koa Wunder: die Beglückwünschten ranschierten ausnahmslos im aus Tienätschersicht biblischen Altersbereich zwischen 65 und 95 Jahr. Infolge dessen hat ma ihnen weder mit den Bietls noch den Stouns gratuliert – höchstens der Elvis hat ein- oder zweimal im Jahr sei "Laaf mi tender" hischmalzen dürfen, worauf der Opa jedesmal ein saugrantiges "Ko der net Deitsch?!" loslassen und die Oma ihn mit einem schüchternen "Mei, das is halt jetz modern" besänftigt hat. Normalerweis aber is a jedes Geburtstagsmutterl mit Heintje bedacht worden, jede Oma mit Operettenarien oder "Man müßte nochmal zwanzig sein" und die silbernen oder goldnen Hochzeitspaar mit einem Liebesduett vom Franz Lehar. Schauderhaft! So gern i den Wald, die Stachelbeeren und die Schaukel gmocht oder aa nur die Fisch in ihrem Basseng zugschaut hab, so peinlich, ja quasi unerträglich war mir jedesmal die Dreiviertelstund Kaffeetrinken unter der Wunschkonzertberieselung. Bloß guat, daß bald danach "Bonanza" kommen is im Fernsehen! Dann hamm nämlich die Manner offiziell stattm Kaffee a Bier trinken dürfen und mei lädierte Jünglingsseel hat sich im Wilden Westen wieder einigermaßen aufgrichtet.

Mittlerweil sind meine Großeltern beide längst gstorben, aa die Schwester von meiner Oma, den Onkel Lenz und die Tante Tilde gibt's nimmer; "Bonanza" kann ma sich höchstens no auf einer nostalgischen DVD anschaun, und wo der riesige Garten war, das Fischbasseng, die Gmüasbeet, die Stachelbeerstauden, die Hutschen und der Versteckerlspuiwoid, da steht heut ein langweilig graues Zweifamilienhaus mit dazugehörigen Garagen. Ja, gar nimmer viel is no so wie damals. Immerhin hat sich Weihnachten bis in unsere Tag herübergrett, der Adventskranz und aa der Kaffee. Dem pubertierenden Himmelhochhutscher hat das Leben seine Flausen austrieben – naja, vielleicht net ganz. Und seltsamerweis gibt's offenbar aa das Wunschkonzert no – sofern ma nur geduidig gnua an dem Sendersuachknopf draht.
"Schaug her", hab i mir denkt, "und jetzt bist selber a oider Depp, sitzt da vor deine Kerzerl, trinkst freiwillig an Kaffee und hörst Wunschkonzert! Obwoi dir ja gar keine Kinder, Enkel oder Urenkel auf diesem Wege gratuliern können!" Scho komisch, wenn ma so ab und zu durch irgendan dummen Zufall ind Vergangenheit zruckgschmissen wird! Oder is das vielleicht gar kein Zufall, sondern einfach die rauhe Wirklichkeit, das ganz bragmaddische Leben? Und das, hört ma in letzter Zeit überall sagen, is leider eben kein Wunschkonzert.





Über das Gedicht

Veröffentlicht: 09.01.2014
Kategorie: Kurzgeschichten

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