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Der Mann auf der Parkbank

SergeD. - 2005

Geseh'n hatt' ich ihn schon seit ein paar Wochen:
Tagtäglich saß er auf der Parkbank dort,
langhaarig, schlecht gekleidet, ausgesprochen
vergammelt - und hat so wohl auch gerochen,
denn selbst die Hunde blieben von ihm fort.

Doch anders als man sonst bei Obdachlosen,
den Pennern es im Park gewöhnlich trifft,
war seine Bank nie rings von leeren Dosen
ummüllt. Auch Flaschen von Spirituosen
sah ich dort nie. Und nie hat er gekifft.

Statt dessen ging von ihm - wie soll ich sagen? -
ein Glanz aus grenzenloser Traurigkeit.
Mehr als sein Los schien nieder ihn zu schlagen:
als hätt' auf seinen Schultern er zu tragen
der ganzen Menschheit Jammer, Schmerz und Leid.

Mit einem Stöckchen, kümmerlich wie alles
an ihm, schrieb ab und zu er in den Sand,
sang eine Art südländischen Gelalles
und hielt etwas vom Ausseh'n eines Balles
tagein, tagaus in seiner linken Hand.

Sein Alter war durchaus nicht festzulegen:
Er konnte dreißig oder sechzig sein.
Nicht einmal sah ich ihn sich rasch bewegen;
er saß nur traurig auf der Bank, bei Regen
so müd' und einsam wie bei Sonnenschein.

Und weil er gestern gar so herzzerreißend
verlassen aussah, bog ich ungestüm -
mir meinen Ekel, meine Scheu verbeißend
und um der Leute Blicke mich nichts scherend -
von meinem Weg ab und ging hin zu ihm.

Langsam hob er den Blick von seinem kleinen
blaugrünen Ball - ein Globus offenbar -,
den Blick, wie so verloren ich noch keinen
gesehen habe. Und ich mußte weinen -
denn plötzlich wußte ich es, wer er war.





Über das Gedicht

Veröffentlicht: 28.03.2005
Kategorie: Nachdenkliches

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