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Du wohnst nicht mehr hier

SergeD. - August 2006

Vor wie vielen Jahren bin hier ich gestanden?!
Vor Sehnsucht verschmachtend, ein Jüngling, verliebt
wie's das vielleicht einmal im Leben nur gibt,
spät, als nur die Straßenlaternen noch brannten:
vor diesem Haus, nachts, zwischen drei und halb vier.
Du wohnst nicht mehr hier.

Die Gegend hat, seit ich zuletzt sie gesehen,
sich gründlich verändert: die Bäume sind fort,
statt ihrer stehn weitere Bungalows dort,
Garagen... Gefällt mir nicht, muß ich gestehen.
Wo sind all die Sträucher, das Rosenspalier?
Du wohnst nicht mehr hier.

Du warst das begehrteste Mädchen der Schule
und ich schrecklich schüchtern: kaum hab ich gewagt,
dich anzusehn - und keinen Ton dir gesagt,
daß mehr als die andern noch ich um dich buhle.
Du warst unerreichbar, verging ich auch schier.
Du wohnst nicht mehr hier.

Nur nachts, auf dem Heimweg vom Schachabend immer,
da zog es mich unwiderstehlich hierher,
da stand ich hier, zwanzig Minuten und mehr
ein Fenster anstarrend; denn dort war dein Zimmer.
Du schliefst freilich, träumtest - gewiß nicht von mir...
Du wohnst nicht mehr hier.

Dein Name steht noch auf dem Schild an der Klingel:
das sind deine Eltern. Du bist irgendwann
nach Hamburg gezogen, studieren. Und dann?
Geheiratet wohl. Ich bin heute noch Single...
Nun ja, es wird Zeit, daß ich weiterspazier!
Du wohnst nicht mehr hier.

Die Nachbarin tritt aus dem Haus: ob ich eine
Adresse nicht fände? Hier sei vieles neu.
"Doch, doch, schon gefunden!" Ich trolle mich scheu -
auch weil sie nicht seh'n soll, die Frau, daß ich weine.
Heut' las ich die Todesanzeige von dir.
Du wohnst nicht mehr hier.





Über das Gedicht

Veröffentlicht: 28.08.2006
Kategorie: Trauriges

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