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Requiem für einen Freund

SergeD. - Juli 2005

REQUIEM FÜR EINEN FREUND

(Zum Andenken an Fawaz Amoudi)


Ich spuck' auf dich!

Es muß dir wirklich ungemein gefallen,
zu seh'n, wie deine Spielzeugpüppchen leiden,
wie sie, den Tod in ihren Eingeweiden,
aufheulen, hilflos, und die Fäuste ballen!

Du läßt ihr Schreien ebenso verhallen
wie ihr Gebet, das anfragt ganz bescheiden.
Nimmt es dich wunder da, wenn ich zum Heiden,
zum schärfsten deiner Leugner werd' von allen?!

Ich leugne, daß du unser Vater bist!
Weil das kein liebevoller Vater ist,
der so gern Frau'n zu Witwen macht und Kinder
zu Waisen - das ist vielmehr ein Sadist!
Wo nicht, ein unzurechnungsfähiger Blinder!

Ich spuck' auf dich, elender Menschenschinder!


* * *

Einem lebenslangen Kämpfer

Filmheld für Hollywood warst Du wohl keiner:
Üblicherweise sind die groß und breit.
Reale Helden, die der Wirklichkeit,
Formt die Natur indes gern etwas kleiner.

Arabisch-bayrisch-urig war Dein feiner
Witz und Humor, mit Unverdrossenheit
Als Waffe von Dir angewandt im Streit -
Zäh, tapfer wie der größten Kämpfer einer.

Am Ende freilich blieb der And're Sieger:
Mit einer neuen Keule schlug er zu.
Ob er auch fair kämpft, pflegt ihn nicht zu scheren...

Und wer kann letztlich seiner sich erwehren?
Du hast es lang versucht, ein stolzer Krieger:
In diesem Kampf der Held bleibst für mich Du.


* * *

Kismet

Oft frag' ich mich: Wozu sind wir geboren?
Dir hat, mein Freund, das Schicksal bis zuletzt
in Form von Krieg und Krankheit zugesetzt -
als hätte es sich gegen Dich verschworen...

Doch werden die zur Prüfung auserkoren,
die man sie zu besteh'n für fähig schätzt!
Und mag es auch den Anschein haben jetzt:
Für mich hast diesen Kampf Du nicht verloren.

Und wenn - wie ich der festen Meinung bin -
sie Einer sind, mein Gott und Dein Allah,
so werden wir uns wiedersehen ja...
Vielleicht versteh'n wir dann den Sinn des Ganzen...

Doch auch wenn wir ihn nicht versteh'n, den Sinn:
Wir werden trotzdem miteinander tanzen!


* * *

Abschiedsfeier

Was geht es euch an, wenn ich mich betrinke?!
Das ist nur eine Sache zwischen mir
und ihm. Der Kellner hat genügend Bier -
auch wenn er skeptisch guckt, sooft ich winke.

Was geht es euch an, ob nach Schnaps ich stinke,
ob heute oder morgen ich krepier'?!
Wär' kein so übler Abgang, daß ich hier
'mal kurz und schmerzlos tot zu Boden sinke...

Gibt Leute, die auf schlimm're Art verenden,
auf sehr viel schlimm're! Aber echten Trost
kann weder das noch Bier und Schnaps mir spenden:
Auch Saufen hilft nicht wirklich, zu vergessen...

An diesem Tisch bin ich mit ihm gesessen...
Es ist eine Art Abschiedsfeier... Prost!


* * *

Wi(e)derruf

Und ich taumle durch die Gassen,
nächtlich-schwarz wie mein Gemüt,
habe meinen Gott verlassen,
der vor meinen Fragen flieht.

In den Rinnstein läuft das Leben,
schmutzig, stinkend, Fäulnisbrühe,
und ihm einen Sinn zu geben,
ist verlor'ne Denkermühe!

Schau, dort drüben diese Ratten
nehmen's nicht so kompliziert:
Fressen, saufen, sich begatten,
bis man eben 'mal krepiert!

Schrei empor bis an die Sterne
vor Verzweiflung: Alles Trug!
Hättest du auch noch so gerne,
Menschlein, einen höhern Zug!

Nichts bezeugt, daß auserlesen
du von einem Gotte bist -
Schöpfungskrone, höchstes Wesen! -,
wenn du in ein Eckchen pißt!

Aber da! Was schwankt von ferne
durch die Nacht dort für ein Licht?
Welche tröstliche Laterne
weckt im Finstern Zuversicht?

Liebe Zeit, bin ich besoffen!
War da statt der Kneipentür
wohl die Kirchenpforte offen!
Warum land' ich stets bei dir?

Was - mag ich dich noch so hassen -
ist es, das mich zu dir zieht?
Kannst wohl auch nicht von mir lassen,
immer noch nicht meiner müd'?

Brauchen wir einander? Wäre
einer von uns hilflos schier?
Ich weiß: du bist nur Chimäre,
du weißt: ich bin nur ein Tier...

Schließen einen Pakt wir eben,
wir zwei Erzbetrüger, komm!
Du sagst, es sei Sinn im Leben -
und ich dank' dir dafür fromm!

Friß nur weiter die mir lieb sind -
und auch mich zu guter Letzt!
Mag ja sein, ich bin betriebsblind,
daß ich's nicht versteh' - bis jetzt...

Deck uns nur mit Krebsgeschwüren
weiter ein - daß deinen Namen
laut wir, während wir krepieren,
in den Himmel heben!
Amen!





Über das Gedicht

Veröffentlicht: 18.07.2005
Kategorie: Tod & Verlust

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