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Aussatz

SergeD. - 2006

Sie haben mich auch vorher schon gemieden.
Jetzt lebe ich von ihnen abgeschieden,
drei Meilen fern dem Dorf, in einer Senke
zwischen den Bergen, einsam: schreibe, denke -
zwar ausgesetzt von ihnen, doch in Frieden.

Oh ja: ich schreibe immer noch Gedichte!
Meist abends oder nachts, bei Kerzenlichte.
Absurd, gewiß; denn niemand wird sie lesen...
Doch ist zuvor das anders denn gewesen?
Sie haben mich seit je gehaßt, die Wichte!

Oft überkommt mich der Gedanke, daß
nichts anderes dran schuld sei als ihr Haß,
wenn ich jetzt hier verfaule; daß es ihre,
nur ihre Schuld ist, wenn ich hier krepiere!
Dann wieder denk' ich resigniert: Ach, was!

Im Grunde ist mein Leben ganz erträglich:
Sie kümmern sich um mich ja. Noch! Tagtäglich
steht in dem hohlen Baum ein Korb mit Brot
und etwas Käse, Wurst. Das reicht zur Not.
Das Dichterdasein war schon immer kläglich...

Erstaunt hat mich zunächst: Sogar Papier
und Tinte brachten sie auf Antrag mir!
Das könnte Hohn sein - aber auch bedeuten:
Ich mache ihnen Angst, den guten Leuten,
Angst wie ein großes böses, wildes Tier!

Deswegen hat mir auch für alle Fälle
der Dorfgendarm und -henker dieses helle,
durchdringend laute Glöckchen mitgegeben:
zum Läuten, wenn ich nahe. Und sie schweben
in Todesangst, daß ich bei ihnen schelle!


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Obiges Gedichtchen ist übrigens enthalten in:
Lyrikecke offline 2 (ISBN 3-86582-247-9),
einem Büchlein, das sich sehr gut auch
als Weihnachtsgeschenk eignet...





Über das Gedicht

Veröffentlicht: 20.12.2006
Kategorie: Philosophisches & Tiefgründiges

Link zum Gedicht

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