Des Grafen Hexe

Des Grafen Hexe

(Anläßlich des internationalen Frauentages)


Kommt herbei, jede Frau, jeder Mann:
Seht das christliche Schauspiel euch an!
Kommt herbei, die ihr fromm seid, und seht,
wie es sündigen Weibern ergeht!
Daß sie schön ist, schön wie ein Seraph,
das sei Teufelsblendwerk, sagt der Graf!

Kommt und schaudert zum Lobe des Herrn
über dieses Weibs sündigen Kern!
Überhäuft sie mit Fluch und mit Spott,
diese Hexe! Denn Ehre sei Gott!
Tausendmal hat verflucht unser Graf
jenen Tag, da im Wald er sie traf!

Tragt herbei, habt ihr übriges Holz!
Wir zerbrechen der Sünderin Stolz!
Sie soll büßen und innig bereu'n,
auf daß Engel und Heil'ge sich freu'n!
Jede Nacht sei erschienen im Schlaf
ihm die Hexe, versichert der Graf!

Stahl - ihr Männer im Dorf, gebt es zu! -
sie nicht manchem von euch auch die Ruh'?!
Und gebrach es auch euch dadurch nicht
an der Kraft oft zur eh'lichen Pflicht?!
Das war ihr Werk! Daß euch sie versklav',
hat verhindert, gottlob!, unser Graf!

Wie es knistert und züngelt und loht!
Gelb dort aufflammt und hier dunkelrot!
Wie das trockene Holz munter knackt!
Nein, sie friert ganz gewiß nicht, auch nackt!
Stoßt es aus, dieses räudige Schaf:
es ist schwarz!, schrieb dem Bischof der Graf.

Seht nur, wie an den Ketten sie reißt!
Wie der Rauch in die Augen sie beißt!
Wie die Hexe heult, hustet und schreit!
Sie ist nicht gegen Feuer gefeit!
Daß man streng sie befrag' und bestraf'
ohne Gnade, verlangte der Graf.

Uns'rer heiligen Inquisition
ist noch nie eine Hexe entfloh'n!
Dieses Weib hat den Teufel verführt:
Sie gestand's! Wie der Graf es gespürt!
Schaut: schon wölbte ihr Bäuchlein sich brav
durch das Teufelskind! Recht hat der Graf!

Hört ihr, wie jetzt die Sünderin brüllt?!
Daß die Gräfin ihr Antlitz verhüllt!
Fürchterlich muß der Feuertod sein -
für den Leib! Doch die Seele wird rein!
Und noch nie gab es, sagt der Graf, je
ein gerechteres Autodafé!